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Jesus Christ Superstar

Eine Rockoper von Andrew Lloyd Webber und Tim Rice

Zum Stück

Jesus Christus inspiriert seit Jahrhunderten die Künstler. In unendlich vielen Worten, Bildern und Noten versuchten sie dem Mann aus Galiläa auf die Spur zu kommen. Das Autorenteam Tim Rice und Andrew Lloyd Webber nähert sich der Figur Jesus mit einem Ausdrucksmittel ihrer Zeit: Der Messias wird zum Superstar in einer Rockoper, durch die er am berühmten Broadway, in Film und Fernsehen erlebbar und auf sämtlichen Tonträgern jedem zugänglich wird. Der Erlöser ist im Zeitalter der Massenmedien angekommen.

Und so lassen Rice und Webber ihren Judas im Titelsong die Frage stellen, warum Jesus eigentlich nicht erst in unserer Zeit auf den Plan trat, wo er mit moderner Technik die Menschen leichter hätte erreichen können als im alten Israel. Zunächst eine seltsame Frage, wenn man bedenkt, dass Jesus trotz kleiner Anfänge der Begründer eines Glaubensimperiums geworden ist. Doch ist es die Lehre des Jesus von Nazareth, die über Jahrhunderte hin verkündet und gelebt worden ist? Das eben bezweifelt der Judas der Rockoper. Er ist überzeugt, dass dem charismatischen Prediger alles aus den Händen gleitet und seine Worte missbraucht werden.

JudasJudas Ischariot – Kritik und Tun dieses Jüngers bilden den Handlungsrahmen von JESUS CHRIST SUPERSTAR. Er ist der einzige, der wachsam bleibt und handelt. Die anderen Jünger gehen ganz in ihrem Fan-Sein auf und träumen vom späteren Ruhestand als altehrwürdige Apostel. Herodes und Pilatus schieben sich den sogenannten Gottessohn immer wieder gegenseitig zu. Weder sie noch der Hohepriester Kaiaphas und seine Berater möchten endgültig die Verantwortung für die Beseitigung des Querdenkers übernehmen. Brauchen sie auch nicht – Judas beißt in diesen sauren Apfel. Er verschließt die Augen nicht vor dem, was der Starrummel um den Handwerkersohn aus Galiläa auslöst und welche Gefahren dahinter lauern. Er liebt und verehrt Jesus, den einfachen Mann mit visionären Ideen; er verachtet Christus, den Superstar, der nur noch eine Marionette zwischen seinen übereuphorischen Gefolgsleuten ist. Und so verrät er den gefeierten und gefürchteten Messias, um seinen Freund, den Menschen Jesus, zu retten. Die Nachwelt wird es ihm freilich nicht danken.

Und fast scheint es, als sei Jesus erleichtert, dass ihm jemand die Entscheidung aus der Hand nimmt. In der Rockoper wirkt er neben Judas oft unentschlossen und weich. Dinge geschehen mit ihm, weniger durch ihn. Er predigt zwar und heilt, aber er verliert sich mehr und mehr in dem Bild, das die anderen von ihm haben. Ganz so wie die heutigen Superstars im Angesicht von Hochglanzmagazinen und Endlos-Berichterstattung Marke Web 2.0. In seinem Gethsemane-Monolog besingt Jesus diese Unsicherheit über seine Person und seinen Auftrag. Ähnlich einem heutigen Prominenten fragt er Gott wie seinen Agenten, ob er überhaupt noch „sein Ding“ mache, und kommt zu dem Ergebnis: „Ich bin mir nicht mehr sicher, so wie zu Beginn. Was du anfingst, ich fing es nicht an.“

JesusZu einem Superstar gehört auch ein Groupie. Ebenso wie Judas und Jesus erhält auch Maria Magdalena eine über die biblische Vorlage hinaus gehende Interpretation. Der Frau mit dem Ruf einer Prostituierten verdankt Jesus in den Tagen vor seinem Tod die letzten zwei, drei Momente voller Geborgenheit und Bodenhaftung. Bei Maria kann er Mann sein und sich spüren, nur sie, so Jesus zu Beginn, gebe ihm, was er gerade brauche. Aber dem „Alles ist gut“-Gefühl, das Maria besingt, vertraut sie bald selbst nicht mehr. Auch sie gerät zwischen die Fronten Mensch und Erlöser. Wie einen Messias lieben?

Nicht nur die Handlung spielt mit dem Mix aus klassischem und provokativem Jesusbild. Der Komponist Webber greift großzügig in die Genrekiste. Wir hören Gospelklänge, sinfonische Partien und Passagen mit Messegesang, die an Gottesdienst erinnern; und wir werden mit Elementen aus Rock, Pop, Folk und Blues konfrontiert, durch die die Christusfigur aktueller und kontrovers wirkt. Doch wie auch im Libretto wirkt diese Mischung nie beliebig, sondern stützt überzeugend die Brücke zwischen Damals und Heute, zwischen Gottessohn und Mensch. Gefürchtet wie belächelt, heute in, morgen out, unerreichbar oder tröstend nah – es sind doppelte Böden wie diese, garniert mit einem tragischen Ende, die einen Mythos begründen.